Sprache auswählen

Die Luftverschmutzung in der Schweiz – unsere Lungen verstauben

 

Die Sichtweite nimmt ab!

Beobachtungen der MeteoSchweiz seit 1880 zeigen einen Rückgang der Sichtweite als Folge von vermehrtem Smog, der Kombination von Feinstaubpartikeln (smoke) und feinen Nebeltröpfchen (fog). So ist der Urirotstock in 53 km Entfernung vom Dach der MeteoSchweiz auf dem Zürichberg aus heute nur noch an 20 statt an über 100 Tagen im Jahre 1880 sichtbar (1). Ein Grund zur Besorgnis für den Schweizer Tourismus, aber auch für die Schweizer Lungen!

Die Luftbelastung mit Schwefeldioxid (SO2), Stickoxiden (NOx), flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) und dem Sekundärschadstoff Ozon ist zwar in den letzten 15 Jahren dank gesetzlichen (Luftreinhalteverordnung von 1985/98) und technischen Massnahmen wie zum Beispiel der Katalysatorpflicht deutlich zurückgegangen.

Dagegen nimmt die Staubbelastung der Luft seit dem Jahr 2000 hockeyschlägerartig wieder zu. Vor allem in den beiden Jahren 2003 und 2006 wurden in unseren Agglomerationen während Inversionslagen im Winter Höchstwerte für Feinstaub weit über dem Kurzzeitgrenzwert von 50 mcg/m3 gemessen (aktuelle Werte im Internet unter http://www.bafu.admin.ch/luft/luftbelastung/aktuell/index.html?lang=de). Dieser Anstieg  ist  höchstwahrscheinlich eine Folge der massiven Zunahme von Dieselfahrzeugen ohne Filterpflicht. Diese dürfen auch nach der seit 1.1. 2005 geltenden Euro-4-Norm immer noch 25 mg Feinstaubpartikel pro Kilometer Fahrt produzieren! Dabei erfolgt die Testmessung in einem künstlichen Fahrzyklus, der das reale Fahrverhalten auf der Strasse nur ungenügend wiedergibt.

Messungen der Partikelzahl auf Kopfhöhe am Rand von viel befahrenen Strassen ergeben deshalb bis zu 100'000 Feinstaubpartikel pro cm3 und im Wageninnern ebenfalls!

In Strassennähe atmet man jeden Tag bis zu 1000 Staubpartikel in jede seiner 400 Millionen Alveolen ein. Russpartikel konnten mit zunehmender Aussenluftbelastung in den alvolären Abwehrzellen von gesunden Kleinkindern nachgewiesen werden. Diese können von unseren normalen Abwehrmechanismen, in den Bronchien und den alvolären Abwehrzellen, nicht mehr vollständig abtransportiert werden (Tab 1). Parallel dazu nimmt auch die Lungenfunktion ab (2).Heute weiss man zudem, dass Feinstaubpartikel  durch die Epithelzellen hindurch in den Körper eindringen und auf dem Blutweg weitertransportiert werden können. Inhalierte ultrafeine Partikel sind  bereits auch in roten Blutzellen und im Hirngewebe mikroskopisch nachgewiesen worden (3,4)

Feinstaub macht krank!

Seit der Londoner Smogkatastrophe im Jahre 1952 wissen wir, dass Luftverschmutzung nicht nur krank macht, sondern auch tödlich ist! Die Gefährlichkeit von Feinstaub ist wissenschaftlich seit Jahren erwiesen. Es gibt keinen Schwellenwert, unterhalb dessen Luftschadstoffe keine akuten oder chronischen Auswirkungen mehr zeigen.

Die Schweizer Umweltstudie SAPAPLDIA hat gezeigt, dass Teilnehmer, welche näher als 20 Meter von einer Hauptstrasse entfernt wohnen, deutlich mehr Atembeschwerden haben als weiter weg wohnende (5). Auch andere epidemiologische Studien ergeben, dass in der Nähe  von viel befahrenen Strassen zu leben ein Gesundheitsrisiko darstellt. Die Lungenfunktion von Jugendlichen ist  weniger gut, wenn sie in Gebieten mit hohen Schadstoffkonzentrationen aufwachsen müssen(6). Die Dicke der Gefässwände und da s Auftreten von Angina pectoris und von Herzinfarkten korrelieren  mit der gleichzeitig gemessenen Feinstaubkonzentration (7).

Der eindrücklichste Beweis ist die akute Zunahme der Todesfälle um 0,5- 1,0 % bei Ansteigen der  Feinstaubkonzentration um 10 mcg/m3 (8). Mehrere Hochrechnungen kommen deshalb auf 3000-4000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr in der Schweiz als Folge der Luftverschmutzung.

Oft wird jedoch argumentiert, dass die Feinstaubbelastung früher höher und die gesundheitlichen Risiken gravierender war, als noch verbreitet mit Kohle gefeuert wurde. Leider gibt es dazu keine älteren Messdaten. Wahrscheinlich waren vor 50 Jahren die in die Luft abgegebenen Staubmassen tatsächlich erheblich. Da die feineren Russpartikel jedoch vor allem in modernen, hoch verdichteten Dieselmotoren entstehen, ist ihre Anzahl heute in der Aussenluft höher als je zuvor.

Die feinen Partikel dringen aber auch in die Häuser ein, wo die Konzentrationen zum Beispiel für PM2.5 etwa 80% des im Freien gemessenen erreichen (9). In den Innenräumen kommt dann noch die Belastung mit anderen Schadstoffen wie zum Beispiel Passivrauch dazu. Im Gegensatz zur Ozonbelastung bei Sommersmog, welche einen deutlichen Tagesgang mit Höchstwerten am frühen Nachmittag zeigt, kann auf die Dauerbelastung mit Feinstaub nicht einfach mit der Empfehlung im Hause zu bleiben begegnet werden.

 

Je feiner umso gefährlicher!

Während im Tierversuch und auch im Laborexperiment mit Menschen die Toxizität von Feinstaubpartikeln klar erwiesen ist, zeigen Zwischenfälle mit neu entwickelten „Nanoprodukten“ erst ansatzweise das grosse Schädigungspotential für unsere Bevölkerung: So wurden in der Schweiz zwischen Oktober 2002 und März 2003 akute Atembeschwerden nach Benützung eines Imprägniersprays beobachtet (10).  Dabei wurden grosse Unterschiede in der Empfindlichkeit mit Husten, Atemnot und Allgemeinsymptomen wie Fieber bei 102 Exponierten festgestellt. Symptome traten sogar auf , wenn das Produkt im Freien verwendet wurde. Es wurde aus dem Markt genommen.  Der Mechanismus bleibt unklar. Im März 2006 musste in Deutschland ein Nanospray zur Reinigung von Glas- und Keramikflächen wegen zum Teil schweren Erkrankungen mit toxischem Lungenödem bei 110 Benützern innert 3 Tagen wieder aus dem Markt genommen werden

(11). Die Dunkelziffer ist riesig und zeigt wie schwierig es ist,  die Langzeitfolgen der vielen täglich neu entwickelten Substanzen abzuschätzen, welche in die Luft ausgestossen werden.

Feine und ultrafeine Partikel, letztere auch als Nanopartikel (kleiner als 0.1 Mikrometer oder 100 Nanometer) bezeichnet, machen zwar nur einen verschwindend kleinen Anteil der mit der heute üblichen  Messmethode bestimmten Feinstaub-Masse aus. Dabei werden durch Auffangen und Wägen auf Filterpapier zum Beispiel alle Partikel kleiner als 10 Mikrometer als PM10 in mcg/m3 angegeben. Die ultrafeinen Partikel stellen jedoch den Hauptanteil der Partikel-Anzahl und vor allem der für die schädlichen Reaktionen mit dem menschlichen Organismus entscheidenden Partikel-Oberfläche. So entspricht zum Beispiel für Partikel von 2,5 mcm Durchmesser eine Partikel-Masse von 10 mcg/m3 einer Partikel-Anzahl von 1/cm3, für Partikel mit 0.02 mcm Durchmesser aber einer Partikel-Anzahl von 2 Millionen/cm3!

 

Bei den gröberen, massenmässig bedeutenderen Partikeln handelt es sich um mineralische Stäube aus Bremsabrieb und Aufwirbelung von Strassenstaub, Pollenbestandteilen, Eisen vom Schienenabrieb, organische Polymere, Salze und Aerosole wie Ammoniumnitrat aus atmosphärenchemischen Prozessen. Alle diese Staubanteile können mit den körpereigenen Mechanismen aus den Atemwegen wieder entfernt werden und sind klar weniger toxisch als der Russ.

Deshalb sollte die für die Schädlichkeit relevantere Anzahl der feinen und ultrafeinen Partikel und nicht nur die Partikel-Masse routinemässig bestimmt werden. Dies ist technisch aufwändiger, jedoch mit heute neu entwickelten Geräten wirtschaftlich machbar.

 

Dieselruss!

Dieselmotoren werden heute als Lösung des Klimaproblems angepriesen, weil sie einen etwas günstigeren Wirkungsgrad erreichen.  Sie produzieren zwar  pro Kilometer etwa 12% weniger Kohlendioxid (CO2) als Benzinmotoren. Dafür stossen sie 1000 x mehr lungengängige Feinstaubpartikel aus und produzieren fünf x mehr NOx! Dieselrusspartikel sind zusätzlich mit Schwermetallen und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen wie zum Beispiel Benzo(a)pyren beladen und deshalb auch krebserregend. Es wird angenommen, dass Luftschadstoffe für die Entstehung von rund 250 Krebsfällen pro Jahr in der Schweiz verantwortlich sind!

 

Dieselpartikel werden in so grosser Zahl ausgestossen, dass für Fussgänger in Strassennähe bis 100'000 Partikel/cm3 gezählt werden können! Die für Arbeiten im Tunnelbau als Höchstwert zugelassenen 100 mcg/m3 wurden während Wintersmogepisoden tagelang überschritten. Gemäss der seit 1.1.2005 gültigen Euro-4-Norm dürften pro gefahrenen Kilometer heute immer noch 25 mg solcher Feinstaubpartikel ausgestossen werden! Die EU hat die Einführung der Euro-5-Norm auf Januar 2011 verschoben. Die dann noch tolerierten 5 mg pro km sind nur mit Partikelfiltern zu erreichen. Diese haben auch für die ultrafeinen Partikel einen Wirkungsgrad von bis zu 99% und mehr und sind technisch ausgereift. Nicht umsonst werden bereits heute drei Viertel aller Dieselautos mit Partikelfiltern angeboten, die meisten serienmässig.

Genau so wie der Katalysator für den Benzinmotor sollte der Partikelfilter für den Dieselmotor Pflicht werden! Und zwar nicht nur bei den Personenwagen, wo das Umdenken bereits eingesetzt hat, sondern endlich auch bei Liefer- und Lastwagen, wo immer noch nach Ausweichlösungen gesucht wird, statt funktionierende Filtersysteme einzubauen. Dass es geht, beweisen die vielen öffentlichen Busunternehmen, die ihre Busse bereits umgerüstet haben.

 

Strengere Grenzwerte fördern die Innovation!

 

Während hohe Ozonwerte, obwohl sie nur wenige Tage im Jahr über dem Grenzwert liegen, sofort grosses Medienecho finden, werden die Grenzwerte für Feinstaub in weiten Teilen der Schweiz fast das ganze Jahr hindurch überschritten! Mehr als 40 % der Schweizer Bevölkerung- zum Beispiel alle Stadtzürcher-  leben in Agglomerationen mit Feinstaubkonzentrationen über dem Langzeitgrenzwert von 20 mcg/m3. Auch der  Kurzzeitgrenzwert von 50mcg/m3 wird vor allem im Winter während sogenannten Inversionslagen tagelang überschritten. Im Februar/März2006 wurden in Zürich und Bern sogar Werte gegen 200 mcg/m3 –so hoch wie in Mexiko-Stadt, dort allerdings jeden Tag- erreicht.

 

Mit Smogverordnungen sollen als Notfallkonzepte in diesen Situationen kurzfristige Massnahmen ausgelöst werden: über 75 mcg/m3 Feinstaub „Verhaltensempfehlungen für besonders gefährdete Menschen“ (Informationsstufe); über 100 mcg/m3 Verbot von Zweitheizungen (Cheminées)  oder von Feuer im Freien sowie Tempo 80 auf Autobahnen/-strassen (Interventionsstufe 1); über 150 mcg/m3 zusätzlich ein Verbot von Dieselmotoren ohne Partikelfilter auf Baustellen und in der Landwirtschaft  (Interventionsstufe 2).

Experten sind aber der Ansicht, dass nur durch langfristige Lenkungsmassnahmen und Verbote die Schadstoffbelastung nachhaltig gesenkt werden kann. Dazu sind auch eine Einführung von Grenzwerten für feine Partikel (PM 2,5) oder von Russ und die Messung der Partikelanzahl in Strassennähe nötig.

Die Weltgesundheitsorganisation fordert einen Feinstaub-Jahresgrenzwert für PM2,5 von 10 mcg/m3, die amerikanischen Lungenärzte von 12 mcg/m3, beide einen Kurzzeitgrenzwert von 25 mcg/m3. Diese sind nur mit Partikelfilterpflicht und weiteren technologischen Neuerungen auch im Heizungsbereich erreichbar. Die frühzeitige Einführung und Durchsetzung dieser Grenzwerte könnten  zu neuen Produkten für unsere Exportwirtschaft führen. Als Beispiel dafür haben die aufgrund der Luftreinhalteverordnung ab 1992 geforderten Oel- und Gasbrenner mit reduzierten Stickoxidemissionen (LowNOx-Brenner) später einen Siegeszug durch ganz Europa angetreten.

 

Quintessenz

 

  • Dank gesetzlichen und technischen Massnahmen ist die Luftbelastung mit den Primärschadstoffen Schwefeldioxid und Stickoxiden (NOx) sowie dem Sekundärschadstoff Ozon in der Schweiz in den letzten 15 Jahren deutlich zurückgegangen.
  • Von Dieselmotoren ausgestossene Feinstaubpartikel nehmen dagegen seit 2000 zu und haben in Wintersmogepisoden in den Jahren 2003 und 2006 viel zu den Höchstwerten weit über dem Kurzzeitgrenzwert von 50 mcg/m3 beigetragen.
  • Russpartikel führen zu Krankheitssymptomen, Funktionseinbussen, Lungen- und Herzkrankheiten, Krebskrankheiten und und zur Zunahme der  Todesfälle
  • Dieselmotoren produzieren zwar 12% weniger CO2 als Benzinmotoren, dafür produzieren sie aber 1000 mal mehr lungengängige Russpartikel und fünf Mal mehr NOx! Partikelfilter haben einen Wirkungsgrad von 99% und mehr. Bereits heute, noch vor der Einführung der entsprechenden Euro-5-Norm im Jahr 2011, sollte sie bei uns zur Pflicht werden!
  • Smogverordnungen mit Verbot von Zweitheizungen oder von Feuer im Freien sowie Tempo 80 auf Autobahnen/-Strassen ab 100mcg/m3 PM10 Kurzzeitwert sind Notlösungen und weniger gut wirksam als langfristige Lenkungsmassnahmen, die Einführung von Grenzwerten für feine Partikel (PM2,5) und/oder von Russ sowie der Partikelfilterpflicht.
  • Die frühzeitige Einführung von schützenden Grenzwerten und deren Durchsetzung kann auch zu neuen Produkten für unsere Exportwirtschaft führen.
Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.